Noch in meiner ersten Longenstunde als Kind habe ich das Leichttraben üben dürfen. Nicht nur in der „Englischen Reiterei“, wie ich sie gelernt habe, ist das Leichttraben ein wichtiger Bestandteil der Reiterausbildung - noch lange bevor es ans Aussitzen geht. Genau wie der Reiter wird die Remonte erstmal im Leichttraben ausgebildet, das erfahrene Pferd erstmal im Leichttraben gelöst und im Gelände ist man ohnehin meist im Leichttraben unterwegs. Das rhythmische Auf und Ab soll es dem Pferderücken und besonders auch dem Reiter leichter machen, den im Vergleich zu den anderen Gangarten eher unbequemen Trab komfortabel und auf längere Distanzen reiten zu können.
Dabei gehört das Leichttraben noch garnicht mal so lange zum Repertoire von uns Reitern. Während man bei den Römern noch nichtmal Steigbügel verwendete, wurde in der früheren Neuzeit vor allem zu Hofe und im Militär geritten. Sowohl die Pferde als auch die Reiter wurden hierfür aufwändigst ausgebildet und man ritt ausschließlich im Vollsitz. Erst als in England das Jagdreiten populär wurde, musste man sich nach Alternativen zum Vollsitz umsehen, da die Vollblüter keine so gute Versammlungsbereitschaft besaßen und sich der englische Adel auch nicht erst ein Jahrzehnt mit Sitzschulung befassen wollte, bevor er eine Jagd mitreiten konnte. Hier entwickelte sich das heutige Leichttraben, das damals erstmal als „englisches Traben“ bekannt war. Einen weiteren Aufschwung bekam das Leichttaben dann durch das Militär. Aufgrund der Kriege mussten immer mehr Reiter und Pferde möglichst zeitnah einsatzfertig ausgebildet werden und dafür eignete sich das „englische Traben“ perfekt, weshalb es auch in Deutschland eingeführt wurde. Mit der HDV 12, die die Grundlage unserer heutigen klassisch-deutschen Reitlehrer bildet, wurde das Leichttraben zum Grundbaustein der Pferde- und Reiterausbildung und ist heute nicht mehr wegzudenken.
Eng mit dem Leichttraben verknüpft ist die Frage, nach dem richtigen Fuß. Da der Trab einen Zweitakt mit diagonaler Fußfolge hat und man jeweils einen Takt steht und einen Takt sitzt, steht man immer mit einem diagonalen Beinpaar auf und setzt mich mit dem jeweils anderen hin. In der Reitschule lernt man, dass man immer mit dem äußeren Vorderbein aufsteht - man trabt auf dem äußeren Vorderbein. Das lässt sich durch einen Blick auf die Pferdeschultern gut beobachten. Schwingt die äußere Schulter vor während man aufsteht, trabt man auf dem „richtigen Fuß“.
Aber warum gibt es ein Leichttraben auf dem richtigen und auf dem falschen Fuß? Nun, wie bei allem gibt es kein richtig und kein falsch. Neutral betrachtet kann man auf dem inneren oder auf dem äußeren Vorderfuß Leichttraben. Für das Pferd gibt es kein richtig oder falsch sondern nur hilfreich und nicht hilfreich. Was für das Pferd gerade hilfreich ist, kommt immer darauf an. Dass man in der deutschen Reitlehre auf dem äußeren Fuß leichttrabt, hängt mit der Beobachtung früherer Ausbilder zusammen. Sie stellten fest, dass das Durchreiten von Ecken und Kurven jungen Pferden leichter fiel, wenn man mit dem äußeren Vorderbein aufstand. Aufgrund der Zentrifugalkraft lehnen sich unerfahrene Pferde in Kurven gerne nach innen, da sie die Kurve so besser bewältigen können. Als Ausbilder gilt es dem natürlich entgegenzuwirken und das Pferd von der inneren Schulter weg zu reiten. Setzt man sich in den Sattel, wenn das mehrbelastete innere Vorderbein vorschwingt, bringt man die Balance mehr auf das äußere Vorder- und das innere Hinterbein, die sich zu diesem Zeitpunkt am Boden befinden. Bei jungen Pferden oder jenen, die sich schiefebedingt auf die innere Schulter werfen, macht es also Sinn, auf dem äußeren Vorderbein leichtzutraben.
Warum kann es aber auch zweckmäßig sein, auf dem inneren Vorderbein (also falsch) leichtzuttaben? Um das zu verstehen, ist ein kurzer Exkurs zu den treibenden Hilfen notwendig. Du hast sicherlich gelernt, dass man im Trab mit beiden Beinen gleichzeitig treibt und zwar dann, wenn man sich hinsetzt. Andersherum ist es auch ziemlich schwer. Dadurch können wir nur einen Trabtakt treiben. Was bewirkt die treibende Hilfe eigentlich? Durch den Schenkeldruck am Gurt kontrahieren die seitlichen Bauchmuskeln des Pferdes, was über Muskelverkettungen dazu führt, dass das gleichseitige Hinterbein schneller und weiter vorfußt. Schneller und weiter vorfußen kann das Hinterbein aber nur, wenn es sich in der Hangbeinphase (also in der Luft) befindet. Deswegen ist das gleichseitige Treiben eigentlich auch falsch, weil wir das sich am Boden befindende Bein garnicht treiben können. Traben wir jetzt wie gelernt auf dem äußeren Fuß leicht, können wir zwangsweise nur das äußere Hinterbein treiben, denn das ist in der Luft, wenn wir uns hinsetzen. Insbesondere beim Reiten von Biegungen ist es jedoch erforderlich das innere Hinterbein vermehrt heranzutreiben. Das geht nur im Aussizten oder wenn wir auf dem „falschen Fuß“ Leichttraben.
Je nach Schiefe des Pferdes kann es also mal Sinn machen, auf dem äußeren Vorderbein leichtzutraben, um die Balance nach außen zu verschieben, oder aber auf dem inneren Vorderbein, um das innere Hinterbein zu treiben. Meine Stute hat aufgrund ihrer Knieproblematik eine ausgeprägte Schiefe. Weil das rechte Hinterbein zu wenig arbeitet, fällt sie (wie sehr häufig) auf das kontralaterale Vorderbein (also vorne links). Um beidem entgegen zu wirken, trabe ich tatsächlich viel auf dem rechten Vorderbein leicht. So kann ich auf der linken Hand dem auf die Schulter fallen entgegenwirken und auf der rechten Hand das rechte Hinterbein mehr in die Aktivität nehmen. Das sollte natürlich nicht der Dauerzustand sein, kann während der Geraderichtung allerdings hilfreich sein.
Manche Pferde setzten einen auch immer auf einen Fuß. Beobachte gerne mal, auf welchem Fuß du nachdem Antraben automatisch leichttrabst. Reiten wir viel geradeaus wie im Gelände, ist es natürlich (wenn du nicht gerade die Schiefe bearbeiten willst) sinnvoll auf beiden Füßen gleichmäßig leichtzutraben, um eine Mehrbelastung eines Vorderbeins zu vermeiden.
Das Leichttraben soll für den Reiter leicht sein, aber auch für das Pferd. Deswegen nutzen wir es in der Lösungphase, in Pausen und im Gelände, um den Rücken des Pferdes von unserem Gewicht zu entlasten. So die Theorie. Leider sieht das in der Praxis oft anders aus. Der Grund dafür ist einfache Physik und missverstandene Reitlehre.
Du hast bestimmt schon von der Linie zwischen Schultern, Hüften und Absatz gehört. Sitzen wir korrekt, sollten alle drei Punkte lotrecht untereinander liegen. Darin liegt aber beim Leichttraben der Fehler, denn diese Linie gilt nur für den Vollsitz. Zu tun hat das mit der Balance. Mit unserem langen Oberkörper haben wir einen relativ hohen Schwerpunkt und müssen, um im Gleichgewicht zu bleiben, diesen über unserem Unterstützungspunkt halten. Stehen wir, sind unser Füße der Unterstützungspunkt und wir sehen zu, dass wir unseren Oberkörper so ausrichten, dass er lotrecht über unseren Füßen steht. Sonst fallen wir schlichtweg um, wenn wir nicht wie beim Hinknien durch entsprechende Balanceverschiebung (Oberkörper vor, Po zurück) den Schwerpunkt trotzdem mittig halten. Sitzen wir auf einem Stuhl, verhält es sich anders. Das Gewicht liegt nun auf unserem Po, weshalb wir unseren Oberköper gerade zu den Hüften ausrichten. Was unsere Füße dabei machen, ist relativ egal. Wir können sie unter den Stuhl schieben oder nach vorne ausstrecken, ohne dass es großen Einfluss auf unsere Balance hat. Das auch der Grund, warum der Oberkörper beim Reiten gerade über den Hüften sein soll. Da wir im Sattel sitzen, sind diese unser Unterstützungspunkt und der Schwerpunkt muss sich darüber befinden.
Beim Leichttraben verändert sich unsere Balancesituation allerdings in dem Moment, in dem wir aufstehen. Wir sitzen dann nicht mehr auf unserem Po sondern stehen in den Steigbügeln. Damit der Körper in Balance bleiben kann, muss sich der Schwerpunkt nun über den Füßen befinden - genauer über unseren Ballen, weil wir hier den Steigbügel aufgenommen haben. Je nach Schuhgröße wandert unser Unterstützungspunkt um 1-2 Handbreit nach vorne und um genau dieses Maß muss auch unser Oberkörper nach vorne, damit wir in Balance bleiben.
Weil wir uns in Bewegung befinden, mag das Aufstehen mit lotrechten Oberkörper funktionieren, ohne dass wir nach hinten umfallen (wie es im Stand wäre). Nichts desto trotz fallen wir beim Hinsetzen nach hinten, landen unsanft im Sattel oder ziehen unbewusst am Zügel. Probiert es gerne mit einem Stuhl aus - es geht nicht anders. Wir merkten es nur in der Bewegung kaum. Wer es aber merkt, ist das Pferd, denn während dieses kurzen Moments des Fallens wirkt die Gravitation und sorgt dafür, dass wir mit bis zu dem dreifachen unseres Körpergewichts (bei mir gut 200kg) in den Rücken unseres Pferdes plumpsen. Darauf reagieren nicht alle Pferde gleich. Manche rennen, manche gehen garnicht mehr vorwärts, manche ertragen es vielleicht auch, aber angenehm ist es für keines von ihnen.
Wie kann man diese Ungemach für die Pferde vermeiden? Indem man in Balance leichttrabt und dazu wie oben beschrieben beim Aufstehen den Oberkörper geringfügig nach vorne nimmt, so dass die Schultern in etwa über den Steigbügeln sind. Du kannst sich dazu im Spiegel anschauen, filmen oder eine Person bitten dir zu sagen, wann du mehr nach vorne musst. Stelle dir am Besten vor, dass du nicht aus dem Vollsitz aufstehst, sondern sich aus dem Entlastungssitz nur für einen kurzen Moment hinsetzt.
Es gibt auch zwei tolle Übungen, zur Überprüfung deiner Balance:
Übung 1:
Wechsle im Trab immer wieder in kurzen Abständen zwischen Entlastungssitz, in dem du in den Stiegbügeln stehen bleibst, und dem Leichttraben. Im Entlastungssitz bist du automatisch in Balance, weil du sonst nach hinten umfällst (wie beim Einsitzen mit geradem Oberkörper) und kannst dieses Gefühl ins Leichttraben mitnehmen. Gleichzeitig verbesserst du so deinen Sitz. Reite beispielsweise am Zirkel von einem Zirkelpunkt zum nächsten im Entlastungssitz, dann bis zum nächsten im Leichttraben und wieder in den Entlastungssitz. Durch die ständigen Wechsel musst du automatisch in Balance bleiben.
Übung 2:
Wenn die obige Übung gut funktioniert, kannst du es etwas schwieriger machen. Dazu wechselst du in kurzen Abständen den Fuß, aber nicht indem du umsitzt (also zweimal sitzen bleibst) sondern „umstehst“ (also zweimal stehen bleibst). Zum Beispiel: Auf - Ab - Auf - Ab - Auf Auf - Ab - Auf - Ab - Auf - Ab - Auf Auf - Ab … Das ist für unseren Kopf ganz schön anstrengend, aber super für unsere Koordination und Balance. Gleichzeitig musst du mit dem Oberkörper immer im Gleichgewicht bleiben, weil du sonst nicht jederzeit einen zusätzlichen Takt stehen bleiben kannst.
Probiere die Übungen unbedingt aus. Die Pferde lieben es und lösen sich dabei prima. Das Ganze geht natürlich auch ganz toll im Gelände.
Auch wenn du anfangs das Gefühl hast, viel zu weit vorne zu sein, wird es dein Pferd danken und du wirst irgendwann nur noch in Balance Leichttraben, weil ihr so im Gleichgewich seid und du deinem Pferd nicht mehr in den Rücken plumpst.
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